Ein Schach-Bot wie Deep-Blue oder ein Poker-Bot wie Libratus konnten die weltbesten menschlichen Kontrahenten schlagen. Würde man sie jedoch bitten, eine Pizza zu bestellen, würden sie die Frage nicht verstehen. KI-Bots und Chatbots waren die längste Zeit sehr spezialisierte Tools. Sie sind darauf ausgelegt, bestimmte Aufgaben so gut wie möglich zu erledigen. Sind sie erst einmal trainiert, können sie diese Tasks mit zum Teil erstaunlicher Genauigkeit – sei es Schach spielen, eine Pizza-Bestellung entgegen zu nehmen oder Termine zu vereinbaren. Dabei ist das Verstehen und Verwenden der natürlichen Sprache eine der Schlüsselfähigkeiten für Chatbots insgesamt. Schließlich stehen Chatbots immer an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine.
Der Traum von universellen Chatbot
Die virtuellen Assistenten, die sich heute auf Smartphones oder Smart Speakern zu finden sind, stehen für einen Traum. Chatbots sollen irgendwann dazu in der Lage sein, nicht nur eine, zwei oder zwanzig Fragen oder Anweisungen zu verstehen, sondern im Prinzip unendlich viele. Vom universellen Chatbot sind wir aktuell aber noch weit entfernt. Auch wenn die digitalen Helfer immer besser werden, ist es immer noch so: Sie können nichts, was man ihnen nicht vorher beigebracht hat.
“Mit einem #Chatbot ist es wie mit einem Zauberhut, in den man zunächst etwas hineinstecken muss, bevor man es wieder hervorzaubern kann.“
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Angesichts dieser Situation war die Vorstellung von Google Duplex Anfang diesen Jahres eine kleine Sensation. Kein Wunder, dass das Publikum bei der Entwicklermesse Google I/O 2018 hörbar in Erstaunen versetzt wurde. Dabei zeigen die Fortschritte des Google Assistent, dass es um weit mehr geht, als bloße Funktionserweiterung: um natürliche Kommunikation.
Vorstellung der neuen Fähigkeiten des „Google Duplex“ bei der Entwicklermesse Google I/O 2018.
Was Chatbots zum Erfolg brauchen
Einige AI-Experten forschen beziehungsweise spekulieren manchmal darüber, wann und ob überhaupt eine generelle Künstliche Intelligenz möglich sein wird. Währenddessen führt Google vor, was mit heute verfügbaren Methoden wie Machine Learning und Deep Learning bereits möglich ist. Die Fähigkeit von Chatbots und virtuellen Assistenten auf sehr natürliche Weise in einem Gespräch zu reagieren, halte ich für eine grundlegende Voraussetzung ihrer sinnvollen Einsetzbarkeit.
Je nachdem ob es in Zukunft gelingt, Chatbots mit Charakter oder Humor auszustatten, kann dies ein zusätzlicher Anreiz für Kunden sein, diese als bevorzugten Kommunikationskanal zu nutzen. Dass dies eine Gratwanderung ist, zeigte der Fall als Amazons Alexa grundlos und zum Teil mitten in der Nacht auf recht unheimliche Art zu lachen begann.
Konversationalisierung von Geschäftsprozessen
Chatbots und virtuelle Assistenten reduzieren Komplexität. Anstatt sich durch eine Homepage oder eine App zu klicken oder zu wischen, sprechen Kunden einfach mit einem Chatbot über ihr konkretes Anliegen. Eine Konversation mit einem Chatbot ermöglicht eine sehr viel tiefergehende, spezifischere Interaktion mit Kunden. Kunden können Nachfragen stellen, die Chatbots entweder direkt beantworten können oder an einen menschlichen Mitarbeiter weiterleiten können.
Die Konversationalisierung von Geschäftsprozessen im Bereich Marketing bringt weitere Vorteile mit sich. Ein Call-to-Action kann sehr viel bewusster eingesetzt und direkt umgesetzt werden. Informationen, die ein Kunde über ein Produkt wünscht, werden verknüpft mit der Frage nach dem Kaufwunsch, Finanzierungsmöglichkeiten oder lokalen Points-of-Sale.
Diese Verlagerung – weg vom Visuellen und Text- und Bildbasierten hin zur Auditiven beziehungsweise zur Dialogisierung – hat natürlich ihren Preis. Während wir ohne Probleme beim Surfen oder Scrollen viele verschiedene visuelle Informationen aufnehmen können, tauchen diese Informationen möglicherweise bei der Interaktion mit Chatbots gar nicht mehr auf. Anders formuliert stehen Entwickler vor der Herausforderung, Chatbots mit möglichst:
- allen Informationen auszustatten,
- vielen Geschäftsprozessen zu verknüpfen und
- allen relevanten Datenbanken zu verbinden.
Neue Formen der Interaktion mit Kunden
Einerseits ist die Diskussion über die Vor- und Nachteile von Chatbots gegenüber bisheriger Touchpoints entlang der Customer Journey wichtig. Für noch spannender halte ich aber die Frage danach, welche zusätzlichen Interaktionsmöglichkeiten die digitalen Assistenten erschließen können, die bisher nicht rentabel oder nicht möglich waren.
Denn wenn Menschen in Zukunft dialogisch mit Unternehmen in Kontakt treten können, eröffnet dies völlig neue Formen der Interaktion. Neben Information, Beratung, Kauf und Service können Chatbots Kunden in einem Maßstab in andere Prozesse einbinden, was bisher allein aufgrund des damit verbundenen Aufwands nicht sinnvoll war.
Das ändert sich mit Chatbots. Denn sie können komplexe Zusammenhänge erklären, Kundenwünsche konkret erfragen und dies, wenn nötig, auf Nachfrage auch mehrfach. Je nach dem Grad ihrer Intelligenz können sie auch in komplexeren Umgebungen eingesetzt werden und Kunden bei der Installation oder der Lösung von Problemen unterstützen. Neue Einsatzbereiche sind beispielsweise:
- Erweiterter Service: Chatbots unterstützen beim Aufbau, der Installation, bei Updates oder der Lösung von technischen Problemen.
- Beratung: Chatbots können das Aushängeschild für die Expertise von Unternehmen werden und themenspezifische Beratungen durchführen.
- Crowdsourcing-Aktionen: Chatbots führen Kundenbefragungen durch und begleiten den Prozess der Informationsverarbeitung.
- Mass-Customization: Ein Chatbot nimmt die Kundenwünsche entgegen und gibt sie direkt an Produktionsmaschinen weiter.
- Advanced Marketing und Augmented Marketing: Chatbots sind Teil einer virtuellen oder erweiterten Realität und interagieren dort mit Kunden.
- Internet of Things: Chatbots lassen sich in vernetzte Produkte integrieren, wo sie als Schnittstelle zwischen Kunden, Produkt und Unternehmen fungieren.
Darüber hinaus lassen sich ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln, die auf Chatbots basieren. Kleine Betriebe oder produzierende Unternehmen, die über kein eigenes Sales- oder Marketing-Team verfügen, können ihre Umsätze und ihre Reichweite signifikant steigern, indem sie spezialisierte digitale Assistenten einsetzen.
“#Chatbots können an die Stelle bisheriger Schnittstellen wie Apps treten. Die spannendere Frage ist, was Chatbots für neue Formen der #Interaktion ermöglichen.“
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Die Zukunft von Chatbots im Marketing
Chatbots haben aus einem weiteren wichtigen Grund ein enormes Potential für das Marketing. Menschen gehen immer mehr mobil ins Internet und nutzen auch zuhause immer öfter vernetzte, mobile Geräte – allen voran natürlich das Smartphone. Dort nutzen sie verstärkt Messenger–Dienste wie WhatsApp. Ein Blick nach China, wo dieser Trend bereits sehr viel deutlicher ausgeprägt ist, zeigt die sich abzeichnende zukünftige Entwicklung. Denn dort führt an der App WeChat (die chinesische Version von WhatsApp) kein Weg mehr vorbei.
Nahezu alles wird via WeChat erledigt: Flüge buchen, Kinotickets kaufen, Essen bestellen, Geld an Freunde schicken, Taxis ordern, Fotos teilen und das Offensichtliche: Chatten, Telefonieren und Videoanrufe tätigen. Bereits seit 2013 versteht sich WeChat als Chatbot–Plattform und entsprechend viele Chatbots finden sich dort bereits heute. Allein die Anzahl an aktiven Nutzern machte es in China notwendig, schon sehr früh auf Chatbots zu setzen. Menschen könnten dort die individuellen Anfragen und Aufgaben gar nicht mehr bewältigen.
Dieser Trend wird seit Jahren auch in Europa und Deutschland immer deutlicher, bleibt aber noch weit hinter dem Möglichen zurück. Gleichzeitig zeichnet sich das Potential und die sinnvollen Anwendungsmöglichkeiten immer deutlicher ab. Schon heute ist darum absehbar, dass Chatbots zu einem maßgeblichen Treiber für wirtschaftliche und technologische Weiterentwicklungen werden. Vorausgesetzt: ihr Mehrwert ist erkennbar und sie erhalten eine Persönlichkeit.
Welche Zukunft geben Sie den Chatbots?